Bischofsblog – Meine persönliche Geschichte mit Gott
- On 17. Mai 2018
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Jeder Mensch hat seine eigene persönliche Geschichte. Und auch eine Geschichte seiner Beziehung mit Gott. Muss diese geradlinig sein? Wie kann ich gut mit meiner eigenen Vergangenheit (die auch Verletzungen und Enttäuschungen enthält) umgehen? Kann ich daraus trotzdem Vertrauen in die Gegenwart und Zukunft schöpfen?
Jede/r von uns hat ein einmaliges Leben. Jede/r von uns ist einzigartig. Das ist einfach toll. Das gilt auch für meine Lebens-Geschichte: ich bin ja nicht bloß irgendjemand. Nein – und die Taufe macht es deutlich: ich bin ein geliebtes Kind Gottes. Von Anfang an. Ohne Bedingungen bin ich geliebt. Bis auf ewig. Darauf darf und kann ich vertrauen. Denn: wenn dem nicht so wäre, so müsste ich feststellen, dass so manches in meinem eigenen Leben daneben gegangen und auch nicht verziehen worden ist. Ich müsste erkennen: da häuft sich ein immer größerer „Haufen“ an Unvollkommenheiten an, an Fehlern, an Sünden, an Anstehen, an Fragen usw. Nur wenn und weil ich um Gottes Entgegenkommen und Liebe weiß, kann ich auch zu alledem stehen, was ich „verbockt“ habe: Wenn ich etwas erkenne, das falsch gelaufen ist, muss ich nicht mehr wie ein „Wahnsinniger“ dauernd darauf starren, sondern kann aus dem Vertrauen der barmherzigen Liebe, die Gott zu mir und jedem Menschen leben will, auf Seine Verzeihung hoffen. Ich gehe zum Betroffenen und bitte um Verzeihung; ich benenne das, wo ich falsch gelegen bin und bitte die anderen um Entschuldigung, die ich dann hoffentlich auch gewährt bekomme; ich gehe zum Priester und bekenne in der Beichte die Sünden. Dadurch bin ich letztlich nicht gefangen in mir selbst, sondern kann trotz allem, was geschehen ist, aber eben auch versöhnt wurde, weitergehen und Hoffnung haben. Gott ermöglicht Zukunft – für jede/n von uns!
Wenn ich die Jahrzehnte meines Lebens als Kind, als Jugendlicher, als Student, als Diakon, als Priester und jetzt als Bischof zurückblicke: da gibt es einiges an Wegen, die ich falsch unterwegs war. Mein Weg war alles andere als eine Autobahn, straight ahead. Da hat es so manche Mühen gegeben, da gab es Kehren, da stolperte ich manchmal weiter, da hieß es eingeschlagene Wege als Irrtum zu erkennen usw. Wenn ich mein Leben nur als Flickwerk von Fehlern, Unterlassungen, Irrtümern etc. anschauen würde, könnte ich wohl nicht gut weiterleben. Nein: mein Leben ist in Gottes Hand. Ich werde geführt. Ich werde begleitet. Weil ich geliebt bin. Und genau das eröffnet mir die Möglichkeit, mich nicht zufriedenzugeben mit Halbherzigkeiten, mit dem „Ich bin halt so!“ Weil ich mich geliebt wissen darf von Gott – unendlich! – bin ich frei immer und immer wieder mir gegenüber zu sagen: „Du hast Zukunft. Also: wag den nächsten Schritt!“
Ich erinnere mich beim Niederschreiben dieser Gedanken daran, dass ich auf meinem linken Daumenansatz eine bleibende Erinnerung an meine jüngere Schwester trage: eine Narbe, die von einer Brandwunde herrührt, die sie mir zugefügt hat. Nur nebenbei: auch meine Schwester hat eine bleibende Erinnerung an mich, einen verkürzten kleinen Finger durch eine Quetschung, die ich ihr damals als Kind ganz bewusst im Liegestuhl zugefügt habe. – Mitunter habe ich den Eindruck, dass manche Menschen meinen, es dürfe nichts schiefgehen in ihrem Leben.
Weil ich Gott ernstnehme und mich immer wieder in Sein Licht stelle – im Lesen und Betrachten der Bibel, im Leben aus Gottes Wort, in der Feier der Sakramente, im Austausch mit anderen, die den ähnlichen Weg in der Nachfolge Jesu gehen wollen – erkenne ich: solange ich lebe, kann ich immer und immer wieder Gott als die Quelle des Lebens in den Blick nehmen und dort neu anfangen, wo ich eben gerade stehe.
Wenn ich so zu leben versuche, mache ich die Entdeckung, dass Gott groß ist und dass er auch an mir Großes getan hat und immer wieder tut. Ich brauche keine Angst zu haben, vor nichts und vor niemandem. Ich kann mich immer wieder IHM anvertrauen, kann auch nach der dunkelsten Stunde „Ja“ sagen und zu leben versuchen wie er gelebt hat. Ich kann gleichsam durch die Wunde/n des Scheiterns hindurch und neu l(i)eben! Ja: jede/r von uns hat ein einmaliges Leben. Einzigartig sind wir. Das ist einfach toll!
Bischof Dr. Wilhelm Krautwaschl, Graz-Seckau
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