
Die Seligpreisungen Jesu
- On 1. Oktober 2015
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- Anton Leichtfried, Seligpreisungen, Weihbischof
Wann bin ich glücklich? Wie werde ich glücklich?
Wenn ich die Oberflächenschicht unserer Welt und Gesellschaft frage, bekomme ich ungefähr diese Antwort: „Jung, schön, reich!“ Das ist das Ziel, dann bin ich mitten drin und ganz oben, dann bin ich attraktiv. Wer möchte das nicht sein, jung und schön und reich? Das ist ja auch wirklich gut. Aber Achtung: Jeder Zentimeter Abweichung wird bestraft: nicht mehr so jung, nicht so schön, nicht reich, o je! – Dann bin ich eben nicht dabei im Mainstream, dann gehöre ich nicht dazu, werde schnell zum Außenseiter und ein looser. Wie viele sind dann unzufrieden, wenn sie in den Medien-Spiegel und auch in den eigenen Spiegel schauen. Wie gesagt, jeder Zentimeter Abweichung wird bestraft. Von wem eigentlich? Wem möchte ich imponieren, vor wem möchte ich gut da stehen?
Am Beginn der auch literaturgeschichtlich berühmt gewordenen Bergpredigt Jesu im Matthäusevangelium stoßen wir auf die sogenannten Seligpreisungen. Das biblische Wort für „selig“ kann man im Deutschen nicht mit nur einem Wort übersetzen: selig, glücklich, heute müsste man wohl auch sagen: cool sein, in-sein usw.
Wie auch immer. Welche Menschen Jesus hier dazu rechnet, ist erstaunlich. Das würde keinem von uns einfallen.
Da gibt es eine Kategorie von Lebensumständen oder Situationen, in die man hineingeraten ist, von denen keiner sagen würde: Super! Wunderbar! Mehr davon!: Selig die Armen. Selig die Trauernden. Selig, die nach Gerechtigkeit dürsten. Selig die Verfolgten. Wie bitte? Das ist doch furchtbar. Wieder einmal provoziert Jesus, legt den Finger auf wunde Punkte. Viele Menschen müssen ja so leben. Normalerweise schauen wir da weg, blenden diese Menschen aus, oder: nur kurz – und dann wieder weg von denen. Jesus schaut unaufgeregt und genau und liebevoll auf uns Menschen. Selbst in diesen Situationen gibt es Hoffnung. Nicht billigen Trost, nicht sofort wieder Spaß, aber Hoffnung: Es gibt einen inneren Reichtum, der größer ist als alle Äußerlichkeiten. Es gibt Hoffnung für jeden Menschen – selbst über den Tod hinaus. Es gibt Gerechtigkeit – für jeden Menschen, für immer.
In einem zweiten Teil behauptet Jesus, dass Menschen mit bestimmten Haltungen und Einstellungen glücklicher sind als andere. Auch das würde uns so nie einfallen. Wir würden eher sagen, die sind doch dumm oder naiv! Ohne Gewalt auskommen! (Wir: „Setz dich durch, lass dir das nicht gefallen, die anderen müssen spüren, wer der Boss ist!“). Glücklich, die ein reines Herz haben! (Wir: da zahlst du nur drauf, da bleibst du über – hinterlistig muss du sein und schlau!). Selig die Barmherzigen! (Wir: lass dir nichts gefallen, das wirst du mir noch bitter bezahlen!). Selig, die Frieden stiften! (Wir: nicht nachgeben, wie viel schaut da für mich noch raus? Das wirst du mir büßen!)
Wann bin ich glücklich? Wie werde ich glücklich? Jung? Schön? Reich? In der Bibel ist der entscheidende Gegensatz nicht zwischen alt und jung, sondern zwischen alt und neu! Neu kann ich jeden Tag werden, selbst im hohen Alter! Schön – noch schöner: von innen her schön! Reich, z. B. an guten Werken, an Fantasie für das Gute! Jesus, will, dass wir glücklich, selig sind. Ab heute. Ab sofort. – Und: ohne Ablaufdatum!
Weihbischof Anton Leichtfried, St. Pölten
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