
Bischofsblog – Von der Offenheit für Gott
- On 16. August 2018
- 0 Comments
Erkennen ist gewöhnlich Wiedererkennen.
Ein Beispiel mag das illustrieren. Als der große Philosoph G.W.F. Hegel sein von ihm angefertigte Porträt sah, sagte er:
„Wer mich kennt, wird mich erkennen.“
Das Gewöhnliche erfasst jedoch nicht das Innerste von Wirklichkeit. Personale Begegnungen geschehen freilich nicht auf schon gewohntem Wege. So ist die tiefste Weise von Erkenntnis Gottes nicht eine Wiederkenntnis. Sie hat vielmehr überraschenden Charakter. Solche Begegnungen kann man sich schwer merken. Man weiß, etwas ist geschehen, aber es lässt sich nicht begreifen (übrigens in diesem Kontext hat das Wort „begreifen“ einen furchtbar anmutenden Klang. Der Adler ergreift seine Beute. Nietzsche schreibt in seinem Gedicht an den unbekannten Gott „Du tief in meine Seele greifender“, da überkommt einem der kalte Schauer).
Begegnungen im Glauben begreifen wir nicht, sie berühren,
gleichsam im Vorbeigehen, zurück bleibt das, was man in der Spiritualitätsgeschichte heilsame Unsicherheit nennt. So geschieht Gottesbegegnung; für Elia am Berg Horeb, als Gott an ihm vorüberzieht; so auch Jesu erste Jüngerberufungen; ER geht am See von Galiläa entlang und sieht, fast könnte man sagen zufällig, Simon und Andreas, wie sie ihre Netze auswarfen, denn sie waren Fischer, ER spricht sie direkt an: „Kommt folgt mir nach!“, so die geschönte Übersetzung, wörtlich heißt es lapidar „Hinter mir her!“
Bei Maria ist es anders.
Zu ihr wird von Gott ein Engel geschickt, unvermittelt tritt er bei ihr ein, so dass sie erschrak. Maria kommt eine Sonderstellung in der Heilsgeschichte zu; sie ist von Geburt an ganz offen für Gott und Gottes Wirken. „Mir geschehe, wie du gesagt hast“ lautet ihre Antwort an den Engel.
Zwei Glaubensgrundhaltungen können und sollen wir aus unserer Heilsgeschichte lernen:
1. Die Offenheit für Gottes Wirken in unserer Zeit
Von Maria können wir lernen die dritte Bitte des Herrengebetes, das Vaterunser, „dein Wille geschehe“ mit dem Herzen Ernst zu nehmen. Unsere Zeit ist sehr individualistisch, zuweilen höchst narzistisch geprägt. Im Mittelpunkt steht immer der Mensch. Jesus lehrt uns zu beten, „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe….“ Von Maria ist während der Zeit des öffentlichen Wirkens nur eine Wortmeldung überliefert, sie lautet: „Was er euch sagt, das tut!“
Lassen wir uns von Gott sagen, was zu tun ist,
wohin unser Glaubensweg führt,
welcher Berufung wir folgen sollen?
2. Das Bewahren der Worte Jesu in unseren Herzen
Unsere Zeit bedrängt uns von allen Seiten mit Informationen, die nicht selten fake news sind. Da braucht es eine besondere Aufmerksamkeit für das Wesentliche des Lebens und des Glaubens. Von Maria heißt es, dass sie alles, was über oder von Jesus gesagt wurde, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte. Einmal heißt es sogar, dass sie ihn, Jesus, nicht verstanden habe. Von Maria berichtet der Evangelist Lukas weiter: „Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen.“ Das Bewahren der Worte Jesu in unseren Herzen, auch jene, die wir nicht oder noch nicht verstehen, das können wir von Maria, die Lichtgestalt unseres Glaubens, besonders lernen.
Glaubenserkenntnis kann auch Wiedererkenntnis sein, freilich nicht im begreifenden oder abstrahierenden Sinn, weil all die Worte im Evangelium, im kirchlichen Feiern, schon erkannt worden sind, einmal von Jesus Christus, als Auferstandenen, aber auch in den vielen Biographien der Heiligen und Gläubigen im Laufe der Geschichte der Kirche. Das Wort Gottes hat sich schon bewahrheitet und bewährt. Nun wartet es auf uns, niemand ist ausgeschlossen, dass es wahr werden darf und unser Leben prägen.
Beten,
aufmerksam hören,
das Wort Gottes im Herzen bewahren,
darüber nachdenken,
lässt uns den richtigen Augenblick, den kairos, nicht vermissen,
wenn Jesus vorübergeht und ruft:
„Folge mir nach!“,
oder wie es eigentlich heißt:
„Hinter mir her!“
Erzbischof Dr. Franz Lackner, Salzburg
0 Kommentare